Zusätzliche Urlaubstage nach Vollendung des 58. Lebensjahres

Fall 5Antidiskriminierung erscheint diese Tage wie eine Art „Never Ending Story“ der Rechtsprechung. Insbesondere das Thema Altersdiskriminierung und die vermeintlich gebotene, absolute Gleichbehandlung sämtlicher Mitarbeiter ohne Rücksicht auf deren Lebensalter und deren Betriebszugehörigkeit, werden von einer Vielzahl von Arbeitnehmern derzeit gerichtlich versucht durchzusetzen. Einer solchen übermäßig gleichmacherischen Praxis hat das Bundesarbeitsgericht am 21.10.2014 – erneut – einen Riegel vorgeschoben. In dem jetzt entschiedenen Fall ging es um folgende konkrete Fragestellung:

Gewährt ein Arbeitgeber älteren Arbeitnehmern jährlich mehr Urlaubstage als den jüngeren, kann diese unterschiedliche Behandlung wegen des Alters unter dem Gesichtspunkt des Schutzes älterer Beschäftigter nach § 10 Satz 3 Nr. 1 AGG zulässig sein. Bei der Prüfung, ob eine solche vom Arbeitgeber freiwillig begründete Urlaubsregelung dem Schutz älterer Beschäftigter dient und geeignet, erforderlich und angemessen im Sinne von § 10 Satz 2 AGG ist, steht dem Arbeitgeber eine auf die konkrete Situation in seinem Unternehmen bezogene Einschätzungsprärogative zu.

Die nicht tarifgebundene Beklagte stellt Schuhe her. Sie gewährt ihren in der Schuhproduktion tätigen Arbeitnehmern nach Vollendung des 58. Lebensjahres jährlich 36 Arbeitstage Erholungsurlaub und damit zwei Urlaubstage mehr als den jüngeren Arbeitnehmern. Die 1960 geborene Klägerin hat gemeint, die Urlaubsregelung sei altersdiskriminierend. Die Beklagte habe deshalb auch ihr jährlich 36 Urlaubstage zu gewähren.

Die Vorinstanzen haben den hierauf gerichteten Feststellungsantrag der Klägerin abgewiesen.

Die Revision der Klägerin hatte vor dem Neunten Senat des Bundesarbeitsgerichts keinen Erfolg. Die Beklagte hat mit ihrer Einschätzung, die in ihrem Produktionsbetrieb bei der Fertigung von Schuhen körperlich ermüdende und schwere Arbeit leistenden Arbeitnehmer bedürften nach Vollendung ihres 58. Lebensjahres längerer Erholungszeiten als jüngere Arbeitnehmer, ihren Gestaltungs- und Ermessensspielraum nicht überschritten. Dies gilt auch für ihre Annahme, zwei weitere Urlaubstage seien aufgrund des erhöhten Erholungsbedürfnisses angemessen, zumal auch der Manteltarifvertrag der Schuhindustrie vom 23. April 1997, der mangels Tarifbindung der Parteien keine Anwendung fand, zwei zusätzliche Urlaubstage ab dem 58. Lebensjahr vorsah.

Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 21. Oktober 2014 – 9 AZR 956/12 –

Vorinstanz: Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz
Urteil vom 7. September 2012 – 6 Sa 709/11 –

Der Neunte Senat hat in sechs weiteren Parallelverfahren die Revisionen der Klägerinnen und Kläger ebenfalls zurückgewiesen.

 

Unser Fazit:

Bei der vorstehenden Entscheidung handelt es sich um eine erfreuliche, in die allgemeine Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts passende Entscheidung. Das Bundesarbeitsgericht beschränkt Diskriminierungsfälle weiterhin konsequent nur auf solche Sachverhalte, in denen eine Ungleichbehandlung aus sachfremden Gründen erfolgt. Viele der derzeitigen Arbeitnehmer/Kläger übersehen, dass im Rahmen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes und auch des AGG nicht nur eine willkürliche Ungleichbehandlung von gleichartigen Sachverhalten eine Diskriminierung bzw. Benachteiligung darstellt, sondern eben auch eine willkürliche Gleichbehandlung von Ungleichartigem. Für viele Unternehmen bedeutet die Entwicklung, dass man nicht alles, was in der Vergangenheit einmal an Versorgungsordnungen, Urlaubstagen, Kündigungsfristen etc. im Hinblick auf eine längere Betriebszugehörigkeit zu Gunsten der Arbeitnehmer verbessert wird, komplett revidieren muss. Eine gezielte Prüfung der eigenen Standarddokumente, die solche Arbeitsbedingungen regeln, ist hingegen durchaus ratsam.

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