NIETZER & HÄUSLER und Compliance: Hierzu lesenswerter Artikel der FAZ.
„Wir werden oft als Geschäftsverhinderer gesehen“
21.08.2012 · Compliance ist für viele ein Buch mit sieben Siegeln – dabei wird dieser Bereich immer wichtiger. Ergo hat das nach einem Skandal wegen einer Lustreise zu spüren bekommen. Ein Interview mit Stefanie Held, Chief Compliance Officer der Ergo Versicherungsgruppe.
Frau Held, wie erklären Sie Freunden, was Sie den ganzen Tag machen?
Mit dem Wort ‚Compliance‘ können viele nichts anfangen. Wir übersetzen es immer am einfachsten mit der Einhaltung von Spielregeln. Ich sehe darin die Rolle eines Schiedsrichters, der darauf achtet, dass die Spielregeln während des Spiels eingehalten werden und zur Not auch mal eingreift.
Welche Fragen beschäftigen Sie?
Probleme gibt es erst dann, wenn sich derjenige nicht an das hält, was wir von ihm erwarten. Darunter fällt die sorgfältige Beratung der Kunden und die Vermeidung von Interessenkonflikten. Seit 2008 haben wir einen Verhaltenskodex und den möchten wir unseren Mitarbeitern deutlich vor Augen führen. Dabei beschäftigen uns solche Fragen: Wie gehen wir mit neuen Produkten um, damit wir keine Fehlanreize setzen? Was sind die Herausforderungen in den Vertriebsbereichen? Wozu darf ich Kunden oder Vertriebspartner noch einladen?
Wie versuchen Sie das zu vermitteln?
In erster Linie durch Kommunikation und Schulungen. Wir gehen in die Betriebsstätten, auf Führungskräfte-Tagungen und haben den Intranet-Auftritt überarbeitet. Ich bin ein großer Fan davon, mit den Mitarbeitern direkt zu sprechen, weil nur der Dialog die Chance bietet, dass wir verstehen können, was die Mitarbeiter bewegt.
Mit welchen Erwartungen sind Sie zu Ergo gekommen, nachdem der Versicherungskonzern von einer Lustreise für Vertriebsleute von sich reden gemacht hat? Das hat ein Untersuchungsbericht diese Woche wieder in Erinnerung gerufen.
Ich wusste ganz genau, was mich erwartet, ich habe ja schließlich auch Zeitung gelesen. Meine Erwartung war, dass ich hier mit sehr viel Unterstützung einen Compliance-Bereich aufbauen darf und entsprechende Rückendeckung von Vorständen bekomme, weil die verstanden haben, dass man Compliance stärken muss.
Es ist immer gut nach einer Krise zu kommen …
Es ist immer gut mit Compliance zu kommen, wenn das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Compliance schon vorhanden ist. Das macht mir das Leben erheblich einfacher.
Welche Fähigkeiten muss denn ein Compliance-Beauftragter mitbringen?
Sie brauchen eine gewisse Menschenkenntnis, um zu verstehen, dass die Mitarbeiter möglicherweise in einer anderen Interessenlage sind. Und Sie brauchen ausgeprägte kommunikative Fähigkeiten. Ich muss mir überlegen: Wie verpacke ich dieses abstrakte Thema so, dass mein Gegenüber auch versteht, was ich will? Da müssen Sie gut kommunizieren können. Und Sie brauchen Fingerspitzengefühl und Überzeugungskraft, um die Mitarbeiter für die eigenen Ziele zu gewinnen.
Wie kreativ müssen Sie dabei sein?
Sie müssen schon kreativ sein darin, wie sie die Dinge vermitteln. Ein solches Thema darf nicht dröge sein. Da können Sie nicht 24 Powerpoint-Folien mit 18 Bulletpoints bringen.
Sondern?
Es hilft schon, wenn Sie zum Einstieg mal ein Cartoon zeigen, das Compliance auf die Schippe nimmt. Sie müssen schon auch mit Humor nehmen, dass diese Funktion nicht überall geliebt ist. Ich habe gute Erfahrungen damit gemacht, offensiv damit umzugehen.
Auf welche Vorbehalte stoßen Sie?
Wir werden oft als Geschäftsverhinderer gesehen. Natürlich empfinden die Leute, die Geschäfte machen, jegliche Regulierung erst einmal als Einengung.
Wie versuchen Sie, das zu entkräften?
Ich kann das nicht wegdiskutieren. Ja, wir wollen Regeln vorgeben. Aber wir versuchen, die Regeln so zu gestalten, dass sie das Geschäft nicht unverhältnismäßig behindern, manchmal vielleicht sogar fördern. Das gelingt nicht immer. Von den Gesetzen wird auch einiges vorgegeben, das nicht immer sinnvoll ist. Compliance ist ein Thema, das erst den Weg in die Köpfe finden muss. Einen Verhaltenskodex haben viele Unternehmen, aber dass man das auch aktiv zum Wertemanagement einsetzen kann und das wertschöpfend sein kann, davon muss man einige Leute noch überzeugen. Aber das haben Sie bei vielen Themen, mit denen sie nicht sofort Geld verdienen können. Eine Geschäftsidee zu verkaufen ist etwas anderes als ein langfristiges Wertemanagement zu verkaufen.
Was finden Sie reizvoll an der Tätigkeit?
Dass ich hier etwas aufbauen und das Thema mit meinen neuen Kollegen gestalten kann. Das Verständnis, dass wir gemeinsam etwas entwickeln wollen, ist hier sehr ausgeprägt. Mir macht so was Spaß.