(Unbegründete) Organhaftung und der (aussichtslose) Prozess der Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH

Würzburger Main Post vom 27.November 2010:  Die Güteverhandlung im Schadenersatz-Prozess der klagenden WVV GmbH ist erwartungsgemäß gescheitert, nun wird vor dem Würzburger Landgericht um 2,97 Millionen Euro gestritten. So viel Schadenersatz fordert die WVV von 18 Führungskräften, die an riskanten Zinswetten des städtischen Konzerns beteiligt gewesen sein sollen.

Prominenteste Prozessgegner der WVV sind Würzburgs Ex-Oberbürgermeisterin Pia Beckmann und der ehemalige kaufmännische Geschäftsführer der WVV, Herbert Wolf. Sein Kollege Karl-Heinz Utschig ist nicht auf der Beklagtenliste verzeichnet. „Als damaliger technischer Geschäftsführer der WVV steht er derzeit nicht im Feuer“, erklärte WVV-Anwalt David Herzog auf Anfrage. Im Gegensatz zu 13 ehemaligen und noch amtierenden Aufsichtsratsmitgliedern und Angestellten, die nach Ansicht der WVV Verantwortung tragen für den Abschluss von Wetten auf die künftige Zinsentwicklung, sogenannte Swaps, mit denen der städtische Konzern rund vier Millionen Euro verlor.

Knapp eine Stunde lang wurde im Würzburger Justizzentrum hinter verschlossenen Türen über die Schadenersatzansprüche verhandelt. Nachdem keine gütliche Einigung zustande kam, ging es öffentlich weiter.

Dabei wurde klar, wie weit die Positionen auseinander liegen. Während die WVV überzeugt ist, dass sie die Beklagten beziehungsweise deren Haftpflichtversicherung in Regress nehmen kann, sehen die Anwälte der Gegenpartei das anders. „Es ist gar kein Schaden entstanden“, erklärte Stefan Bank, der Pia Beckmann vertritt. Sein Kollege Prof. Wolf Michael Nietzer, den die Aufsichtsratsmitglieder engagiert haben, ist der Meinung, dass durch die Entlastung des WVV-Vorstands dessen Handeln nachträglich genehmigt wurde.

„Die Beklagten sagen, sie hätten nichts falsch gemacht“, fasste der Vorsitzende Richter, Peter Müller, zusammen. Außerdem seien die Betroffenen der Ansicht, dass Schadenersatzansprüche, so sie überhaupt bestehen sollten, verjährt seien.

Bevor die WVV gegen Beckmann, Wolf und die anderen klagte, hatte sie versucht, die Deutsche Bank in Regress zu nehmen. Diese hatte die WVV bei Abschluss der Zinswetten beraten. Und zwar fehlerhaft, wie die WVV meinte.

Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg bügelte die Ansprüche jedoch ab. Im Mai 2009 entschieden die Richter, dass die Bank der WVV nichts zahlen muss und attestierte dem städtischen Konzern unter anderem „grobe Verstöße gegen die eigenen Obliegenheiten“. Eine Revision gegen das Urteil wurde nicht zugelassen – wogegen die WVV „Nichtzulassungsbeschwerde“ zum Bundesgerichtshof (BGH) einlegte. Eine Entscheidung darüber steht noch aus.

Ob alle oder einige Beklagte im Prozess vor dem Würzburger Landgericht als Zeugen aussagen müssen, ist derzeit noch nicht klar. Es spreche „vieles dafür“, dass das Verfahren zunächst „schriftlich ablaufen wird“, erklärte Richter Peter Müller vor der Presse. Bis die Parteien ihre Positionen ausdiskutiert hätten, könnte es „Ende Februar, Mitte März 2011“ werden, sagte der Vorsitzende. Die Urteilsverkündung werde auf jeden Fall öffentlich sein.

Weiterhin Austzug „Main-Netz“: Die Anwälte der Beklagten gehen davon aus, dass die Klage abgewiesen werden muss: Weder sei der kaufmännische Ermessensspielraum von den Verantwortlichen in vorwerfbarer Weise überschritten worden, noch habe der Aufsichtsrat seine Aufsichtspflichten verletzt. Die Stadt als Eigentümerin des Konzerns habe die Geschäftsführung nach den Swap-Geschäften formell entlastet: »Damit sind sämtliche Schadensersatzansprüche ausgeschlossen«, betonte Rechtsanwalt Prof. Wolf Michael Nietzer, der 13 Aufsichtsräte vertritt. Nachdem am Vormittag ein nichtöffentlicher Gütetermin scheiterte, begann gestern Nachmittag der eigentliche Prozess, der von nun an voraussichtlich komplett auf schriftlichem Weg durchgeführt wird. Das Urteil könnte im Frühjahr verkündet werden.

Der WVV-Konzern

Die Würzburger Versorgungs- und Verkehrs-GmbH (WVV) ist eine 100-prozentige Tochter der Stadt. Zu dem Konzern gehören unter anderem die Stadtwerke, die Strom, Erdgas, Fernwärme und Trinkwasser liefern. Hinzu kommen Straßenbahnen und Busse, die in Würzburg und der Region unterwegs sind. Die WVV betreibt außerdem ein Kompostwerk. Weitere Tochtergesellschaften sind die Würzburger Hafen GmbH und die WVV-Wirtschaftsstandort Würzburg Immobilien-Management GmbH. Im vergangenen Jahr erwirtschaftete der Konzern mit seinen etwa 1300 Mitarbeitern einen Umsatz von 352 Millionen Euro und einen Gewinn von 720 000 Euro. Aufsichtsratsvorsitzender ist Oberbürgermeister Georg Rosenthal (SPD).

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