DIHK: Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette

Art 7Die EU-Kommission hat am 31.01.2013 die Konsultation zum „Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel“ eingeleitet. Mit den dort aufgeworfenen Fragen will sie das Ausmaß unlauterer Handelspraktiken und deren Auswirkungen auf die Wirtschaft ermitteln. Auch Selbstregulierungsinstrumente und nationale Regelungen werden untersucht.

Das Grünbuch über unlautere Handelspraktiken – nicht zu verwechseln mit der Richtlinie  über Unfaire Geschäftspraktiken – ist Teil des zeitgleich veröffentlichten Aktionsplans für den Einzelhandel (siehe dazu Rundschreiben 815182 vom 06.02.2013).

Ziel der Kommission ist es, zu prüfen, ob „divergierende Ansätze zu einer Fragmentierung des Binnenmarktes führen können“ und einschlägige Praktiken zu beseitigen. Was den spezifischen Fall unlauterer Handelspraktiken im Lebensmittelsektor anbelangt, erläutert die EU-Kommission in ihrer Pressemitteilung, dass 2010 innerhalb des Hochrangigen Forums für die Verbesserung der Funktionsweise der Lebensmittelversorgungskette eine Expertenplattform für B2BVertragsbeziehungen eingerichtet worden sei, die eine Lösung erarbeiten soll. Auf der Sitzung des Hochrangigen Forums im Dezember 2012 (siehe die EU-Pressemeldung IP/12/1314) wurde ein zweigleisiger Ansatz angekündigt, um die Problematik anzugehen. Die Konsultation auf der Grundlage des Grünbuchs über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette für Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel und die Arbeit des Forums verlaufen parallel. Die Kommission wird eine Folgenabschätzung auf den Weg bringen, um verschiedene Optionen zur Bewältigung der Probleme zu prüfen, darunter auch Selbstregulierungsmaßnahmen und Rechtsvorschriften.

Auf der Internetseite der EU-Kommission gibt es zu dem ganzen Themenkomplex auch eine Zusammenstellung häufig gestellter Fragen und Antworten dazu, die allerdings nur in Englisch und Französisch verfügbar ist, siehe MEMO/13/47.

Unter unlauteren Handelspraktiken versteht die EU-Kommission alle Fälle, in denen vor, während oder nach Vertragsschluss Verhandlungsmacht eines der beiden Vertragspartner eine Rolle spielt. Das reicht von der Nichtbereitstellung von Informationen, Nichtunterzeichnen einer Vertraulichkeitsvereinbarung über die Vereinbarung missbräuchlicher Klauseln, Zahlungsfragen, Druck durch Eigenmarken bis hin zu „Rückwärtsmargen“ oder zur Aufbürdung von Risiken auf den einen Vertragspartner. In diesem Zusammenhang spricht die EU-Kommission immer wieder von einem „Angstfaktor“. Unterschwellig wird das Problem der Nachfragemacht des Handels thematisiert, da insbesondere der letzten Handelsstufe erhebliche Verhandlungsmacht zugeschrieben wird, die unlauter genutzt werde. Ideen zur Lösung können laut EU-Kommission sein, dass Rechtsdurchsetzung auch anonym erfolgen können müsse, dass eine Behörde die Einhaltung fairer Praktiken anordnet und für die Wiedergutmachung entstandener Schäden sorgt oder dass Geldstrafen mit abschreckender Wirkung verhängt und öffentlich über Behördenerkenntnisse berichtet wird.

Erste Einschätzung des DIHK:

Grünbuch über unlautere Handelspraktiken in der B2B-Lieferkette — Page 1 of 3

Die Kommission versucht mit dieser Konsultation, die Grundlage für erhebliche Eingriffe in die Vertragsfreiheit zu schaffen. Über das, was bisher durch das nationale Kartellrecht und auch das EUWettbewerbsrecht verboten ist, soll auch ein sog. „Graubereich“ geregelt werden. Dieser „Graubereich“ zwischen kartellrechtlich bereits verbotener Ausnutzung von Marktmacht und den eindeutig fairen Verträgen wird sehr weit gezogen. Er liege letztlich in jeder Situation eines Ungleichgewichts einer schwächeren gegenüber einer stärkeren Vertragspartei in einer B2B-Lieferbeziehung potenziell vor. Dieses aus Sicht der EU-Kommission unfaire Verhalten belaste am Ende den Verbraucher, der dann seinerseits keine fairen Angebote erhalte. Stimmt man der EU-Kommission in dieser Einschätzung zu, gelangt man am Ende zu einer vollständigen staatlichen Markt-, Vertrags- und Preisüberwachung, in der der Staat am besten weiß, was für alle Beteiligten gut und fair ist. Dies hätte mit Wettbewerb und Marktwirtschaft nichts mehr zu tun. Selbstverständlich sind auch wir der Meinung, dass Missbrauch von Marktmacht nicht sein darf – aber dafür gibt es bereits jetzt ausreichende Regelungen. Man könnte allenfalls über eine Verbesserung der Rechtsdurchsetzung nachdenken – in Deutschland ist dazu durch das anonyme Hinweisgebersystem des Bundeskartellamtes ein guter Schritt getan. Ein Regelungsbedarf auf EU-Ebene besteht aus unserer Sicht jedenfalls nicht.

Zeitplan und Stellungnahmefrist:

Die Konsultation läuft bis Ende April 2013. Da wir aber möglicherweise zu den Inhalten des Grünbuchs und unserer Einschätzung seitens der Bundesregierung und IHKs auch auf Landesebene gefragt werden, haben wir die Stellungnahmefrist dem DIHK gegenüber auf den 28.03.2013 festgelegt. Sollten Sie uns schon früher Ihre Stellungnahme zusenden können, wären wir dafür dankbar. Zeitlich soll es dann bereits Mitte 2013 mit konkreteren Vorschlägen der EU-Kommission weitergehen.

Das Grünbuch ist abrufbar unter
http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2013:0037:FIN:DE:DOC

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