Hildegard Reppelmund, DIHK: Sei es im arabischen Raum, sei es in Japan: viele
deutsche Unternehmen müssen sich die Frage stellen, ob sie ihre Mitarbeiter, die sie in diese Länder entsandt haben, zurückholen. Und die nächste Frage ist dann, welche Folgen sich daraus ergeben. Eine allgemeine „Rückholpflicht“ des Arbeitgebers gibt es nicht. Ein Rückruf hängt davon ab, wie die Lage am konkreten Einsatzort ist und welche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer getroffen wurden. Eine vertragliche Vereinbarung vor Beginn der Entsendung ist in jedem Fall sinnvoll, um spätere Streitigkeiten und Unsicherheiten zu vermeiden.
Häufig wird vor der Entsendung von Arbeitnehmern ins Ausland ein Entsendevertrag unterzeichnet. Dieser kann das deutsche Arbeitsverhältnis entweder modifizieren oder ruhend stellen; es kann auch zusätzlich ein ausländisches Arbeitsverhältnis begründet werden – die Möglichkeiten der Vertragsgestaltung sind vielfältig.
In einem solchen Entsendevertrag wird oft festgelegt, welche Regelungen während des Auslandseinsatzes des Arbeitnehmers gelten. Dabei ist es sinnvoll, auch über Rückholpflichten und Rückkehrrechte Regelungen zu treffen, also unter welchen
Voraussetzungen ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber nach Deutschland zurückgeholt werden darf oder sogar muss, z. B. bei Naturkatastrophen oder bei sonstigen erheblichen Gesundheitsgefahren für den Arbeitnehmer. Auch über die Kosten sollte in
diesem Zusammenhang etwas vereinbart werden. Auch wenn nichts geregelt sein sollte, können sich Rückholpflichten aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers ergeben, da er jedenfalls die Arbeitstätigkeit so gestalten muss, dass der Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit geschützt ist. Zwar ergibt sich die Gefahr in diesen
Krisenfällen in der Regel nicht aus der Tätigkeit selbst, sondern ist außerhalb der Tätigkeit begründet, aber man wird wohl den Grundgedanken übertragen müssen. Von einer konkreten Gefahr wird man ausgehen dürfen, wenn das Auswärtige Amt deutsche Staatsbürger zum Verlassen eines Landes oder einer bestimmten Region auffordert. In diesem Fall wird dem Mitarbeiter die Erbringung seiner Arbeitsleistung meist unzumutbar sein. Selbst wenn daraus noch nicht die Rückholpflicht für den Arbeitgeber entstehen sollte, sollte er seinen Arbeitnehmer aufgrund seiner Fürsorgepflicht zumindest bei der Organisation der Rückreise unterstützen.
Die Kosten für eine vorzeitige Rückreise in einem im Entsendevertrag geregelten Rückholfall trägt der Arbeitgeber, sofern nichts anderes vereinbart ist. Es wird aber auch davon abhängen, ob der Auslandsaufenthalt insgesamt vorzeitig beendet, oder ob er nur für die Dauer der Unruhen unterbrochen wird. Sinnvoll ist es, sich auch schon im Entsendevertrag Gedanken über die Kosten für die Rückholung von Familienmitgliedern des Arbeitnehmers zu machen. Die Familienmitglieder stehen schließlich nicht selbst in einem Vertragsverhältnis zu dem Arbeitgeber, so dass deren Kosten ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht vom Arbeitgeber zu tragen sind.
Darüber hinaus ist es sinnvoll, eine Regelung zu treffen, ob, wo und in welcher Tätigkeit der Arbeitnehmer nach der vorzeitigen Beendigung seiner Tätigkeit im Ausland in Deutschland wieder beschäftigt wird. Wenn das ursprüngliche Arbeitsverhältnis während des Auslandseinsatzes nur geruht hat und danach wieder auflebt, besteht eine Weiterbeschäftigungspflicht des Arbeitgebers. Erfüllt er diese nicht oder kann er sie nicht erfüllen, ist der Arbeitgeber im Annahmeverzug und muss die Vergütung zahlen, auch wenn der Arbeitnehmer nicht arbeitet. Dies muss im Einzelfall geprüft werden und ist sehr von den konkreten Vereinbarungen abhängig. Wichtig ist es, sich in krisenbedingten Rückholfällen auch mit der Unfall- und den übrigen Sozialversicherungen auseinanderzusetzen und den privaten Versicherungsschutz zu prüfen, damit hier keine
bösen Überraschungen eintreten.