Arbeitnehmerhaftung bei „Spoofing-Betrug“

Der Arbeitnehmer stellt ein kleines Rädchen im unternehmerischen Mechanismus dar. In der Regel besteht ein Missverhältnis zwischen Arbeitslohn und möglichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitgebers wegen betrieblichen Fehlverhaltens. Ansprüche dieser Art könnten zum wirtschaftlichen Ruin des Arbeitnehmers führen. Da allerdings selbst den sorgfältigsten Arbeitnehmern Fehler unterlaufen, war es geboten, eine ungeschriebene Haftungsprivilegierung zugunsten der Arbeitnehmer anzunehmen. Der Grundsatz der vollen Haftung aus § 276 BGB schon bei leichter Fahrlässigkeit widerspricht der arbeitsrechtlichen Gefahrenlage. Die Haftungsprivilegierung sieht eine anteilige Arbeitnehmerhaftung vor bei normaler Fahrlässigkeit und eine volle Haftung bei grober Fahrlässigkeit / Vorsatz.

Auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf beschäftigte sich (Urt. v. 29.08.2017, Az. 14 Sa 334/17) mit der Tragweite einer Arbeitnehmerhaftung. Die Arbeitnehmerin war als Kassiererin einer Tankstelle tätig und wurde vor Arbeitsbeginn eingearbeitet. Im Zuge der Einarbeitung wurde sie durch eine Betriebsanweisung informiert, Telefonkarten nicht am Telefon herauszugeben. In der Folge wurde die Kassiererin Opfer eines „Spoofing-Betrugs“. Der Begriff Spoofing bezeichnet eine Technik, die eigene Identität zu verschleiern. Die Arbeitnehmerin erhielt einen Anruf von einem angeblichen Mitarbeiter einer Telefongesellschaft, der sie über eine Systemumstellung informieren wollte, die von einer anderen Firma durchgeführt werden wird. Im Anschluss sollte die Systemumstellung durch einen weiteren Anruf vollzogen werden. Dafür wurde die Kassiererin angewiesen, die Codes sämtlicher 30-Euro-Prepaidkarten dem Anrufer mitzuteilen. Die Systemumstellung beinhalte demnach den Austausch der vorhandenen 30-Euro-Prepaidkarten. Den dabei entstandenen Schaden von 3.720 Euro beglich die Versicherung und forderte diesen Betrag nun von der Kassiererin. Die Klage der Versicherung hatte keinen Erfolg. Laut Arbeitsvertrag kam für die Haftung der Arbeitnehmerin nur grobe Fahrlässigkeit in Betracht, welche das Gericht vorliegend ablehnte. Die Kassiererin sei infolge der doppelten Anrufsituation strukturell unterlegen und verletze die erforderliche Sorgfalt nicht in ungewöhnlichem Maße.

Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist hat die Arbeitnehmerin nach Ansicht des Gerichts vor einer Haftung bewahrt. Zwischen grober und normaler Fahrlässigkeit besteht ein schmaler Grat und die Übergänge sind fließend. Gegen das Urteil des LAG Düsseldorf spricht der ausdrückliche betriebliche Hinweis, keine Telefonkarten am Telefon herauszugeben. Der Arbeitgeber bringt die Gefahren eines solchen Handelns zum Ausdruck und signalisiert die Bedeutsamkeit der Weisung. Hinzu kommt ein weiterer Aspekt. In der heutigen Zeit wird vor betrügerischen Telefonanrufen medial gewarnt und ihre Existenz ist auch allseits bekannt. Die Kassiererin wurde zwar professionell getäuscht. Eine gewisse Vorsicht kann jedoch bei Anrufen dieser Art erwartet werden. Durch eine kurze telefonische Nachfrage bei ihrem Arbeitgeber hätte die nötige Sicherheit eingeholt werden können. Gerade bei hohen Geldbeträgen hat eine vorherige Rücksprache mit dem Vorgesetzten zu erfolgen. Es erscheint somit nicht fernliegend normale Fahrlässigkeit der Kassiererin anzunehmen und sie anteilig haften zu lassen. Es sind weitere gerichtliche Entscheidungen abzuwarten.

Dieser Beitrag wurde unter Arbeitsrecht veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Kommentar verfassen