Unternehmenskauf – Bedeutung von Material Adverse Change-Klauseln

Bei Unternehmenskäufen liegen zwischen dem Zeitpunkt der Unterzeichnung des Kaufvertrages („Signing“) und dem Zeitpunkt des dinglichen Vollzuges des Anteilserwerbs („Closing“) oftmals lange Zeiträume. Während dieser Zeit besteht für den Käufer das Risiko, dass sich die bei den Vertragsverhandlungen offen gelegte Finanz-, Ertrags- und Vermögenslage des Zielunternehmens bis zum Closing deutlich verschlechtern kann. Als weiteres, erhebliches  Risiko werden in jüngster Zeit auch Compliance-Verfehlungen des Zielunternehmens gesehen, die erst nach Signing zu Tage treten. Korruptionsfälle, Produktrückrufe oder medienwirksame Skandale von Führungskräften können innerhalb weniger Tage dazu führen, dass der Wert des Zielunternehmens drastisch einbricht. Um diese Risiken angemessen zwischen Käufer und Verkäufer zu verteilen, wird bei Unternehmenskäufen zunehmend hart über die Einarbeitung und Ausgestaltung einer sog. Material Adverse Change-Klausel („MAC-Klausel“) in den Kauf-, Finanzierungs- oder  Übernahmevertrag verhandelt.

MAC-Klauseln haben ihren historischen Ursprung im anglo-amerikanischen Rechtsraum und regeln, wie zu verfahren ist, wenn sich nach Signing wesentliche nachteilige Veränderungen ergeben, die Auswirkungen auf die Grundlagen der Transaktion haben. In der Formulierung solcher Klauseln sind die Vertragsparteien grundsätzlich frei und können sowohl die konkreten Tatbestände, die grundlegende nachteilige Auswirkungen haben, als auch die Rechtsfolgen des Eintritts solcher Tatbestände selbst bestimmen. Der Käufer wird hierbei meist auf eine möglichst weit gefasste Klausel Wert legen, die im Falle eines Falles möglichst große Handlungsspielräume bietet. Der Verkäufer versucht hingegen regelmäßig, dem durch möglichst enge Klauseln entgegenzuwirken, die es dem Käufer nur in wenigen Fällen und nur unter ganz bestimmten Bedingungen erlauben, sich auf einen „MAC“-Tatbestand zu berufen. Tritt der Fall der Fälle dann zwischen Signing und Closing ein, sehen MAC-Klauseln regelmäßig vor, dass der Käufer die Transaktion nicht vollziehen muss. In wenigen Fällen – dann vielfach im Kontext von Compliance-Verfehlungen – wird ein Rücktrittsrecht des Käufers nach erfolgtem Closing vereinbart. Zu solchen „Rückabwicklungen“ kommt es in der Praxis allerdings nur sehr selten. Denn regelmäßig hat der Käufer kein Interesse daran, sich vom Zielunternehmen wieder vollständig zurückzuziehen, sondern verwendet den eingetretenen MAC-Tatbestand stattdessen als „Türöffner“ für Nachverhandlungen mit dem Verkäufer über den vereinbarten Kaufpreis. Voraussetzung für erfolgreiche Nachverhandlungen ist im Ernstfall jedoch zunächst einmal die tatsächliche, rechtliche Wirksamkeit der verwendeten MAC-Klausel, die vor allem in den USA nicht als Selbstverständlichkeit angesehen werden darf. Denn viele Gerichte in den USA erachten MAC-Klauseln mit sehr allgemein gehaltenem, standardisiertem Inhalt (sog. „Boilerplate“-Formulierungen) für unwirksam. Im Bundesstaat Delaware – dessen Recht bei Unternehmenstransaktionen in den USA mit Abstand am häufigsten gewählt wird – hat der für diese Fragen zuständige Court of Chancery der Wirksamkeit solcher standardisierter MAC-Klauseln bereits mehrfach eine Absage erteilt (2008 z.B. in Hexion Specialty Chemicals, Inc. v. Huntsman Corp.). In Europa gibt es trotz der großen Bedeutung von MAC-Klauseln in Unternehmenskaufverträgen bislang leider keine nennenswerten Gerichtsentscheidungen hierzu.

 

Fazit: Spätestens seit Ausbruch der Finanzkrise und den damit verbundenen Marktturbulenzen sollten Käufer bei Unternehmenstransaktionen verstärkt darauf achten, durch Verwendung geeigneter MAC-Klauseln mögliche, nach dem Signing auftretende Risiken zu minimieren. Weiterhin sollte – insbesondere bei Unternehmenskäufen mit US-rechtlichen Bezügen – darauf geachtet werden, keine standardisierten und zu allgemein gehaltenen MAC-Klauseln zu verwenden, sondern stattdessen die individuellen Risiken der Transaktion konkret und nachvollziehbar zu definieren. Auf diese Weise kann sich der Käufer nach erfolgtem Signing eine Ausstiegsmöglichkeit offenhalten und erhält sich die Chance, gegebenenfalls nachträgliche Preisanpassungen durchsetzen zu können.

 

Als eine auf deutsches und U.S.-amerikanisches Unternehmens- und Gesellschaftsrecht spezialisierte Wirtschaftskanzlei berät Sie Nietzer & Häusler gerne bei grenzüberschreitenden Unternehmenstransaktionen und unterstützt Sie bei der Minimierung der hiermit verbundenen, rechtlichen und wirtschaftlichen Risiken. Über den Blog www.usa-recht.de hält Sie Nietzer & Häusler gerne über aktuelle Rechtsentwicklungen in den USA informiert.

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